Zeit zu handeln


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Gutes Leben

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Zwischenruf von Günter Figal 

Man will oder wünscht sich ein gutes Leben. Oft aber weiß man nicht genau, was man darunter verstehen soll. So kommt man ins philosophische Fragen. Philosophisch möchte man klären, was ein wahrhaft gutes Leben ist.

Eine Antwort auf diese Frage ist bis heute wirksam geblieben; sie wirkt auch dann, vielleicht sogar am meisten, wenn man sie gar nicht als eine besondere Antwort versteht. Aristoteles hat das gute Leben als unbeeinträchtigte Wirklichkeit verstanden, als ein Tätigsein, das keinen äußeren Zielen oder gar Zwängen unterstellt ist. Vor allem soll es ein Leben ohne Zeitzwang sein, oder, wie Aristoteles auch sagen kann, ein Leben in Muße.

Die aristotelische Antwort ist keineswegs selbstverständlich; man sollte sie neu befragen, nicht zuletzt daraufhin, ob ein Leben in Muße allein als Tätigsein zu bestimmen ist. Zur Muße gehört doch die Freude am Möglichen, daran, nicht alles, was man tun könnte, auch tun zu müssen. Wer Muße hat, ist vom eigenen Tun in eigentümlicher Weise frei; allein so lässt man sich auf etwas ein und lässt sich dabei wohl auch überraschen. Dabei erfährt man, dass nicht alles von einem selbst abhängt; vielleicht ist es sogar das Wichtigste, das man etwas nicht realisiert, sondern  finden muss oder finden darf – wie Kunstwerke, die man entdeckt. Muße, so verstanden, kann eine Einübung sein, die Dinge zu lassen und die Welt – zumindest auch – vor den Plänen und Eingriffen des Tätigseins zu verschonen. Sie wäre die Haltung eines guten Lebens, das nicht in erster Linie Wirklichkeit und Tätigkeit ist

Prof. Dr. Günter Figal ist Professor am Philosophischen Seminar und stellvertretender Vorstandssprecher des Sonderforschungsbereichs "Muße. Konzepte, Räume, Figuren" an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.